Montag, 22. Juli 2013

Können wir mit dem Internet schon richtig umgehen? – Oder brauchen wir alle ein Technologie-Kaizen?



Eines Vorweg, sonst könnte eventuell ein falscher Eindruck entstehen, ich bin durch und durch ein Technologie-affiner Mensch. Ich verlasse jeden Tag mit meinem Tablet das Haus wenn ich zur Arbeit gehe und nutze mein Smartphone mit all seinen Möglichkeiten, die mir unterschiedliche Apps bieten. Allerdings bin ich der Meinung, dass wir die Nutzung dieser Geräte in manchen Lebensbereichen hinterfragen sollten.

Bild: Augsburger Allgemeine Zeitung
Es sind diese Szenen die jeder von uns kennt: Ein voll bepacktes Konzert, tausende von Menschen erfreuen sich der Musik einer Band oder eines Künstlers, aber wo früher Feuerzeuge für eine wohlige Stimmung sorgten,  da leuchten nun hunderte von Smartphone-Displays die Veranstaltung aus. Während ich ansonsten große, massentaugliche Veranstaltungen eher scheue, ist mir dieses Phänomen gestern in einem unbekannten Ausmaß beim Klassik Open Air in Nürnberg begegnet. Zehntausende von Menschen mit Wunderkerzen in den Händen gaben bei absoluter Dunkelheit ein tolles Panorama ab und schon zückten mindestens ebenso viele Menschen ihre Smartphones und filmten das Spektakel (später werden sie feststellen, dass sowohl Klang als auch Optik der Aufnahmen besch...eiden sind). Dafür wirkt das Ganze disrespektierlich gegenüber Künstlern und schränkt Leute, die sich die Veranstaltung wirklich anschauen wollen, in ihrer Sicht ein.

Angespornt durch „Likes“ und Kommentare in sozialen Netzwerken nimmt eine steigende Zahl von Menschen eigene Videos von Konzerten und Veranstaltungen auf und stellt diese dann online Freunden und Interessierten zur Verfügung. Das führt dazu(LINK Pressetext), dass immer mehr Besucher sich ein Konzert durch ihr Mäusekino in der Hand anschauen und Lichter, Farben und Eindrücke lediglich gedämpft durch eine zweitklassiges Objektiv ihres mobilen Endgerätes wahrnehmen können – die Leute verzichten also auf Sinneseindrücke für ein bezahltes Event und begrenzen die Qualität ihrer Wahrnehmung durch die Anzahl der darstellbaren Pixel auf ihrem Handy. Und das alles obwohl mittlerweile viele Künstler professionelle Videoaufnahmen von Veranstaltungen im Nachgang hochladen... Manche Bands, wie die US Band The Yeah Yeah Yeahs, haben Smartphones bei Konzerten deshalb schon verboten und erziehen damit ihr Publikum und regen zur Selbstreflektion an. Manche Festivals sind weniger rigoros, sie erlauben kurze Clips, wer aber länger als 2 Minuten filmt fliegt raus. 

Ein ähnlich, fragwürdiges Verhalten finden wir auch immer häufiger bei Besuchern von Cafés und Restaurants. Sobald man zusammen in geselliger Runde sitzt, wird das Mobiltelefon oder Tablet ausgepackt, um auf Newsportalen zu surfen oder noch schnell 2-3 Emails zu schreiben.  Gesprächsrunden werden so im Keim erstickt und sozialer Austausch wird von der realen Welt ins Internet verlegt. Ich habe auch schon öfter Paare gemeinsam in Restaurants sitzen gesehen, beide mit Smartphones in der Hand, kein Wort miteinander sprechend. Smartphone-Nutzung und Facebook tauchen mittlerweile statistisch gesehen bei jeder dritten Scheidung als Mitgrund auf (LINK)

Ebenso haben viele Fahrer schon Unfälle gebaut, weil sie mit ihren Smartphones im Internet gesurft sind. Davon betroffen sind auch Geschäftsreisende und LKW-Fahrer. Eine amerikanische Studie hat dazu erschreckende Zahlen enthüllt (LINK Zeit).

Und genau hier ist ein kritischer Punkt erreicht. Bei der Arbeit kann die Nutzung von mobile Devices dafür sorgen, dass der Arbeitsalltag erschwert wird und sogar die Arbeitssicherheit gefährdet wird. Viele Unternehmen haben beispielsweise Social Media Guidelines erlassen. Diese Regelungen verbieten es Mitarbeitern aber lediglich auf sozialen Plattformen, wie beispielsweise Facebook Firmeninterna auszuplaudern oder für den Arbeitgeber zu „sprechen“. Sie regeln aber häufig weder sicherheitsrelevante Fragestellungen, noch werden durch mobile Endgeräte verursachte Effizienzeinbußen durch sie angegangen. Doch diese sind offensichtlich existent. Gemäß des Providerverbandes Eco beträgt der weltwirtschaftliche Schaden verursacht durch die Nutzung sozialer Netze und das Abrufen privater Emails 500 Mrd. Dollar jährlich (LINK Golem). Die Dunkelziffer der Unfälle, die auf Ablenkungen verursacht durch die Nutzung mobiler Endgeräte zurückgehen, dürfte immens hoch ausfallen.

Doch wie kann man die Nutzung der privaten Geräte in Kaizen-Aktivitäten miteinbinden? Eine Null-Toleranz-Politik wäre realitätsfremd, denn wer beantwortet beispielsweise keine privaten SMS am Arbeitsplatz? Die Grenzen zwischen Mobilfunkdienstleistungen und Internetaktivitäten verschwimmen zunehmend. Vielleicht ist es ähnlich wie bei den filmenden Konzertbesuchern, die erzogen werden müssen. Man müsste den Mitarbeitern eventuell zeigen und vermitteln, wo und wann eine Smartphone-Nutzung Sinn macht und an welchen Orten eine solche sogar gefährlich sein könnte. Bspw: Nutzung des Smartphones in der Nähe von Staplerrouten.

Vielleicht sollte wir alle die Nutzung dieser Geräte einmal hinterfragen, denn unterm Strich sollen sie unseren Alltag bereichern und nicht gefährlicher gestalten.

Montag, 15. Juli 2013

Transport - wertschöpfende Verschwendung?

Transport wird einer der  Verschwendungsarten zugerechnet. Dabei wird Verschwendung (jap. muda) zumeist in zwei (selten auch drei) Ebenen unterteilt.
  • Verschwendung, die eliminiert werden kann
  • Verschwendung, die notwendig ist und nicht eliminiert werden kann
Zusammen mit wertschöpfenden Tätigkeiten bekommt man das hinreichend bekannte Bild, bei dem ca. 90% der Tätigkeiten als kostensteigernd bzw. nicht wertsteigernd eingeordnet werden. Als nicht wertsteigernde Tätigkeiten werden im Allgemeinen solche angesehen, für die der Kunde nicht zahlt. Hierzu wird, wie eingangs erwähnt nun auch der Transport gezählt.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob Transport wirklich als reine Verschwendung und nicht wertschöpfende Tätigkeit, die nicht eliminiert werden kann, zu sehen ist.
Quelle: www.citynotes.de

Betrachtet man diverse Ausführungen zu Verschwendungsarten so fällt auf, dass nicht Transport im Allgemeinen als Verschwendung deklariert wird, sondern unzureichender oder fehlerhafter Transport. Exemplarische Beispiele hierzu sind:
  • zu lange Transportwege
  • unnötige Wege oder "Leerfahrten"
  • mehrfache Handhabung
  • unnötige Zwischenlagerung oder Umlagerung
  • zu häufige Verwendung von Transporthilfsmitteln
  • ein Mangel an Transporthilfsmitteln
Nun wird man zustimmen wenn gesagt wird, dass die genannten Punkte vermeidbar sind und durch verbesserte Materialflusssysteme und optimierte Lagerhaltung sowie geschultes Personal weitestgehend verhindert werden können.
Wenn man jetzt Transport im Allgemeinen als Verschwendung bezeichnet und über Möglichkeiten zur Vermeidung nachdenkt, kommt ein System wie es beim Möbelgiganten IKEA angewendet wird in den Sinn. Dabei übernimmt der Kunde den Großteil des Transports - sogar die Entnahme aus dem Lager wird dem Kunden überlassen.
Aus Industriesicht verursacht diese Vorstellung nur Schmunzeln. Der Kunde entnimmt sich das Produkt aus dem Lager und transportiert es selbst zum eigenen Werk. Nicht ganz unrealistisch - in der Praxis jedoch nicht salonfähig.

Diese Betrachtung stellt jedoch zunächst die externe Sicht dar. Der interne Transport ist weitaus vielschichtiger. Während man die Distanz zwischen dem eigenen Werk und dem des Kunden nur in geringem Maße beeinflussen kann, ist die Distanz zwischen Fertigungsstraßen und Maschinen relativ leicht veränderbar. Nahe am Optimum befindet sich  hierbei sicherlich die so genannte Chaku-Chaku Linie.
(Zur Information: http://www.youtube.com/watch?v=5iNXiOCY2HY)
Jedoch muss sogar hier transportiert werden und im engeren Sinne zählt hierzu auch der Transport des Werkstücks innerhalb der Maschinen.

Zusammenfassend stellt also jeglicher Transport eine gewisse, wenn auch meist notwendige Verschwendung dar. Angefangen bei der Lieferung des Rohmaterials an die Laderampe, über die Handhabung per Gabelstapler und Routenzug, bis hin zur Fahrt des Schlittens in der Maschine wird nur "verschwendet".
Diese Ansicht ist gemäß der eingangs erläuterten Definition von Verschwendung korrekt. In der Praxis zahlt der Kunde aber auch für weit mehr als "nur" das Produkt. Die "6R" der Logistik besagen, dass das richtige Produkt in der richtigen Menge zu der richtigen Zeit zu den richtigen Kosten und der richtigen Qualität am richtigen Ort sein muss.
Hierbei fällt auf, dass nur durch ein ganzheitlich effizientes und schlankes Transportsystem überhaupt die Anforderungen Zeit, Kosten und Menge erreicht werden können.

Daher ist es nötig Transport genauer zu betrachten und nicht als generelle Verschwendung und nötiges Übel hinzunehmen. Transport- und Logistiksysteme stellen einen mächtigen Hebel dar, um Wertschöpfungspotenziale auszuschöpfen und somit den Wert des Produkts für den Kunden zu steigern.

Quellen: RWTH Aachen, Fraunhofer IPT, Vollmer & Scheffczyk

Montag, 8. Juli 2013

Was machst Du eigentlich? - Wenn der Chef nicht die Aufgaben seiner Mitarbeiter kennt.


Ich möchte Ihnen anhand einer kleinen Anekdote ein Problem aufzeigen, dass mir immer wieder begegnet und eigentlich unabhängig von Hierarchiestufen oder Branchen auftritt. Letzten Freitag habe ich einen Vortrag gehalten, der von einer kleinen Diskussion im Publikum überlagert wurde. Die Diskussion folgte auf eine Zwischenfrage eines Mitarbeiters einer Baufirma – Im Anschluss stellte sich heraus, dass er (offensichtlich seit Jahren) sein Aufgabenspektrum anders definiert als sein Chef (der auch im Publikum saß).
 
Der Mitarbeiter erachtete Preisverhandlungen und –vergleiche auch als Teil seiner Arbeit, sein Chef wollte eigentlich, dass er nur Bestellungen beim Einkauf aufgibt. Die Folge sind längere Bestellzeiten, weniger Arbeitsaufkommen beim Einkauf und eine Verschiebung der übrigen Tätigkeiten des Mitarbeiters nach hinten. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiter nichts über Sonderkonditionen des Einkaufs bei speziellen Händlern weiß und demnach viele seiner Preisrecherchen spätestens beim Einkauf revidiert werden und eigentlich vertane Zeit sind.

Lösung für solche Dilemmata können regelmäßige Job-Umfangs-Audits sein, ein sinniger Turnus für solche Analysen wäre beispielsweise 1 Jahr. Dabei werden die Aufgaben eines Mitarbeiters und ihre Priorisierungen aus drei Sichten beschrieben. Wichtig dabei ist, dass die unterschiedlichen Personen durch einen Unabhängigen befragt werden und die drei Sichten getrennt voneinander aufgenommen werden.

Sicht 1 ist die Sicht des Mitarbeiters auf seinen Job und die damit verbundenen Aufgaben sowie die Prioritäten unterschiedlicher Aufgaben. Idealerweise werden noch zeitliche Aufwendungen für die verschiedenen Aufgaben abgefragt (und wenn möglich: vorher auch aufgenommen).

Sicht 2 ist die Sicht des Vorgesetzten auf den Job seines Mitarbeiters. Was sind seine Aufgaben und wie sind diese aus Sicht des Vorgesetzten zu priorisieren?

Sicht 3 ist die Sicht eines neutralen Dritten, der sich auf einer ähnlichen Hierarchieebene wie der Mitarbeiter des Audits befindet, evtl. sogar direkt mit dem Mitarbeiter an einer Aufgabe zusammenarbeitet oder eine identische Position bekleidet.

Nun werden die unterschiedlichen Sichtweisen verglichen und Unstimmigkeiten/Unterschiede identifiziert. Wichtig ist dabei, dass nicht sofort versucht wird unterschiedliche Auffassungen des Mitarbeiters an die Vorstellungen seines Vorgesetzten anzupassen. Vielmehr sollte es ein entspanntes und offenes Gesprächsklima ermöglichen herauszufinden, warum der Mitarbeiter Aufgaben ausführt, die eigentlich nicht für ihn vorgesehen waren oder anders ausführt als ursprünglich geplant. Vielleicht kann der Chef aber (bspw. durch fehlendes fachliches Know-How) auch einfach Aufgaben seiner Mitarbeiter nicht realistisch einschätzen.

Die Gründe für unterschiedliche Auffassungen bei dem Umfang des Jobs können vielseitig sein. Vielleicht können interne Dienstleister nicht schnell genug auf bestimmte Situationen reagieren oder arbeiten nicht gerne mit gewissen Mitarbeitern zusammen – die Folge ist, dass der Mitarbeiter diese Aufgabe einfach selbst übernimmt. Eventuell hat aber der Mitarbeiter selbst auch beispielsweise andere Präferenzen bei Bestellungen als der Einkauf (Qualität vs. Kosten) und versucht diese durch seine Vorarbeit durchzusetzen.

Finden Sie heraus, wie ihre Mitarbeiter arbeiten und schaffen Sie Transparenz. Denn 10 Leute mit der gleichen Job-Beschreibung und den selben Aufgaben werden 10 unterschiedliche Wege finden diese Jobs auszufüllen und auszuführen.

Sehen Sie das als Chance interne Prozesse zu hinterfragen und Standards dort zu finden, wo sie wirklich Sinn machen und im Moment noch fehlen.