Montag, 22. Juli 2013

Können wir mit dem Internet schon richtig umgehen? – Oder brauchen wir alle ein Technologie-Kaizen?



Eines Vorweg, sonst könnte eventuell ein falscher Eindruck entstehen, ich bin durch und durch ein Technologie-affiner Mensch. Ich verlasse jeden Tag mit meinem Tablet das Haus wenn ich zur Arbeit gehe und nutze mein Smartphone mit all seinen Möglichkeiten, die mir unterschiedliche Apps bieten. Allerdings bin ich der Meinung, dass wir die Nutzung dieser Geräte in manchen Lebensbereichen hinterfragen sollten.

Bild: Augsburger Allgemeine Zeitung
Es sind diese Szenen die jeder von uns kennt: Ein voll bepacktes Konzert, tausende von Menschen erfreuen sich der Musik einer Band oder eines Künstlers, aber wo früher Feuerzeuge für eine wohlige Stimmung sorgten,  da leuchten nun hunderte von Smartphone-Displays die Veranstaltung aus. Während ich ansonsten große, massentaugliche Veranstaltungen eher scheue, ist mir dieses Phänomen gestern in einem unbekannten Ausmaß beim Klassik Open Air in Nürnberg begegnet. Zehntausende von Menschen mit Wunderkerzen in den Händen gaben bei absoluter Dunkelheit ein tolles Panorama ab und schon zückten mindestens ebenso viele Menschen ihre Smartphones und filmten das Spektakel (später werden sie feststellen, dass sowohl Klang als auch Optik der Aufnahmen besch...eiden sind). Dafür wirkt das Ganze disrespektierlich gegenüber Künstlern und schränkt Leute, die sich die Veranstaltung wirklich anschauen wollen, in ihrer Sicht ein.

Angespornt durch „Likes“ und Kommentare in sozialen Netzwerken nimmt eine steigende Zahl von Menschen eigene Videos von Konzerten und Veranstaltungen auf und stellt diese dann online Freunden und Interessierten zur Verfügung. Das führt dazu(LINK Pressetext), dass immer mehr Besucher sich ein Konzert durch ihr Mäusekino in der Hand anschauen und Lichter, Farben und Eindrücke lediglich gedämpft durch eine zweitklassiges Objektiv ihres mobilen Endgerätes wahrnehmen können – die Leute verzichten also auf Sinneseindrücke für ein bezahltes Event und begrenzen die Qualität ihrer Wahrnehmung durch die Anzahl der darstellbaren Pixel auf ihrem Handy. Und das alles obwohl mittlerweile viele Künstler professionelle Videoaufnahmen von Veranstaltungen im Nachgang hochladen... Manche Bands, wie die US Band The Yeah Yeah Yeahs, haben Smartphones bei Konzerten deshalb schon verboten und erziehen damit ihr Publikum und regen zur Selbstreflektion an. Manche Festivals sind weniger rigoros, sie erlauben kurze Clips, wer aber länger als 2 Minuten filmt fliegt raus. 

Ein ähnlich, fragwürdiges Verhalten finden wir auch immer häufiger bei Besuchern von Cafés und Restaurants. Sobald man zusammen in geselliger Runde sitzt, wird das Mobiltelefon oder Tablet ausgepackt, um auf Newsportalen zu surfen oder noch schnell 2-3 Emails zu schreiben.  Gesprächsrunden werden so im Keim erstickt und sozialer Austausch wird von der realen Welt ins Internet verlegt. Ich habe auch schon öfter Paare gemeinsam in Restaurants sitzen gesehen, beide mit Smartphones in der Hand, kein Wort miteinander sprechend. Smartphone-Nutzung und Facebook tauchen mittlerweile statistisch gesehen bei jeder dritten Scheidung als Mitgrund auf (LINK)

Ebenso haben viele Fahrer schon Unfälle gebaut, weil sie mit ihren Smartphones im Internet gesurft sind. Davon betroffen sind auch Geschäftsreisende und LKW-Fahrer. Eine amerikanische Studie hat dazu erschreckende Zahlen enthüllt (LINK Zeit).

Und genau hier ist ein kritischer Punkt erreicht. Bei der Arbeit kann die Nutzung von mobile Devices dafür sorgen, dass der Arbeitsalltag erschwert wird und sogar die Arbeitssicherheit gefährdet wird. Viele Unternehmen haben beispielsweise Social Media Guidelines erlassen. Diese Regelungen verbieten es Mitarbeitern aber lediglich auf sozialen Plattformen, wie beispielsweise Facebook Firmeninterna auszuplaudern oder für den Arbeitgeber zu „sprechen“. Sie regeln aber häufig weder sicherheitsrelevante Fragestellungen, noch werden durch mobile Endgeräte verursachte Effizienzeinbußen durch sie angegangen. Doch diese sind offensichtlich existent. Gemäß des Providerverbandes Eco beträgt der weltwirtschaftliche Schaden verursacht durch die Nutzung sozialer Netze und das Abrufen privater Emails 500 Mrd. Dollar jährlich (LINK Golem). Die Dunkelziffer der Unfälle, die auf Ablenkungen verursacht durch die Nutzung mobiler Endgeräte zurückgehen, dürfte immens hoch ausfallen.

Doch wie kann man die Nutzung der privaten Geräte in Kaizen-Aktivitäten miteinbinden? Eine Null-Toleranz-Politik wäre realitätsfremd, denn wer beantwortet beispielsweise keine privaten SMS am Arbeitsplatz? Die Grenzen zwischen Mobilfunkdienstleistungen und Internetaktivitäten verschwimmen zunehmend. Vielleicht ist es ähnlich wie bei den filmenden Konzertbesuchern, die erzogen werden müssen. Man müsste den Mitarbeitern eventuell zeigen und vermitteln, wo und wann eine Smartphone-Nutzung Sinn macht und an welchen Orten eine solche sogar gefährlich sein könnte. Bspw: Nutzung des Smartphones in der Nähe von Staplerrouten.

Vielleicht sollte wir alle die Nutzung dieser Geräte einmal hinterfragen, denn unterm Strich sollen sie unseren Alltag bereichern und nicht gefährlicher gestalten.

Montag, 15. Juli 2013

Transport - wertschöpfende Verschwendung?

Transport wird einer der  Verschwendungsarten zugerechnet. Dabei wird Verschwendung (jap. muda) zumeist in zwei (selten auch drei) Ebenen unterteilt.
  • Verschwendung, die eliminiert werden kann
  • Verschwendung, die notwendig ist und nicht eliminiert werden kann
Zusammen mit wertschöpfenden Tätigkeiten bekommt man das hinreichend bekannte Bild, bei dem ca. 90% der Tätigkeiten als kostensteigernd bzw. nicht wertsteigernd eingeordnet werden. Als nicht wertsteigernde Tätigkeiten werden im Allgemeinen solche angesehen, für die der Kunde nicht zahlt. Hierzu wird, wie eingangs erwähnt nun auch der Transport gezählt.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob Transport wirklich als reine Verschwendung und nicht wertschöpfende Tätigkeit, die nicht eliminiert werden kann, zu sehen ist.
Quelle: www.citynotes.de

Betrachtet man diverse Ausführungen zu Verschwendungsarten so fällt auf, dass nicht Transport im Allgemeinen als Verschwendung deklariert wird, sondern unzureichender oder fehlerhafter Transport. Exemplarische Beispiele hierzu sind:
  • zu lange Transportwege
  • unnötige Wege oder "Leerfahrten"
  • mehrfache Handhabung
  • unnötige Zwischenlagerung oder Umlagerung
  • zu häufige Verwendung von Transporthilfsmitteln
  • ein Mangel an Transporthilfsmitteln
Nun wird man zustimmen wenn gesagt wird, dass die genannten Punkte vermeidbar sind und durch verbesserte Materialflusssysteme und optimierte Lagerhaltung sowie geschultes Personal weitestgehend verhindert werden können.
Wenn man jetzt Transport im Allgemeinen als Verschwendung bezeichnet und über Möglichkeiten zur Vermeidung nachdenkt, kommt ein System wie es beim Möbelgiganten IKEA angewendet wird in den Sinn. Dabei übernimmt der Kunde den Großteil des Transports - sogar die Entnahme aus dem Lager wird dem Kunden überlassen.
Aus Industriesicht verursacht diese Vorstellung nur Schmunzeln. Der Kunde entnimmt sich das Produkt aus dem Lager und transportiert es selbst zum eigenen Werk. Nicht ganz unrealistisch - in der Praxis jedoch nicht salonfähig.

Diese Betrachtung stellt jedoch zunächst die externe Sicht dar. Der interne Transport ist weitaus vielschichtiger. Während man die Distanz zwischen dem eigenen Werk und dem des Kunden nur in geringem Maße beeinflussen kann, ist die Distanz zwischen Fertigungsstraßen und Maschinen relativ leicht veränderbar. Nahe am Optimum befindet sich  hierbei sicherlich die so genannte Chaku-Chaku Linie.
(Zur Information: http://www.youtube.com/watch?v=5iNXiOCY2HY)
Jedoch muss sogar hier transportiert werden und im engeren Sinne zählt hierzu auch der Transport des Werkstücks innerhalb der Maschinen.

Zusammenfassend stellt also jeglicher Transport eine gewisse, wenn auch meist notwendige Verschwendung dar. Angefangen bei der Lieferung des Rohmaterials an die Laderampe, über die Handhabung per Gabelstapler und Routenzug, bis hin zur Fahrt des Schlittens in der Maschine wird nur "verschwendet".
Diese Ansicht ist gemäß der eingangs erläuterten Definition von Verschwendung korrekt. In der Praxis zahlt der Kunde aber auch für weit mehr als "nur" das Produkt. Die "6R" der Logistik besagen, dass das richtige Produkt in der richtigen Menge zu der richtigen Zeit zu den richtigen Kosten und der richtigen Qualität am richtigen Ort sein muss.
Hierbei fällt auf, dass nur durch ein ganzheitlich effizientes und schlankes Transportsystem überhaupt die Anforderungen Zeit, Kosten und Menge erreicht werden können.

Daher ist es nötig Transport genauer zu betrachten und nicht als generelle Verschwendung und nötiges Übel hinzunehmen. Transport- und Logistiksysteme stellen einen mächtigen Hebel dar, um Wertschöpfungspotenziale auszuschöpfen und somit den Wert des Produkts für den Kunden zu steigern.

Quellen: RWTH Aachen, Fraunhofer IPT, Vollmer & Scheffczyk

Montag, 8. Juli 2013

Was machst Du eigentlich? - Wenn der Chef nicht die Aufgaben seiner Mitarbeiter kennt.


Ich möchte Ihnen anhand einer kleinen Anekdote ein Problem aufzeigen, dass mir immer wieder begegnet und eigentlich unabhängig von Hierarchiestufen oder Branchen auftritt. Letzten Freitag habe ich einen Vortrag gehalten, der von einer kleinen Diskussion im Publikum überlagert wurde. Die Diskussion folgte auf eine Zwischenfrage eines Mitarbeiters einer Baufirma – Im Anschluss stellte sich heraus, dass er (offensichtlich seit Jahren) sein Aufgabenspektrum anders definiert als sein Chef (der auch im Publikum saß).
 
Der Mitarbeiter erachtete Preisverhandlungen und –vergleiche auch als Teil seiner Arbeit, sein Chef wollte eigentlich, dass er nur Bestellungen beim Einkauf aufgibt. Die Folge sind längere Bestellzeiten, weniger Arbeitsaufkommen beim Einkauf und eine Verschiebung der übrigen Tätigkeiten des Mitarbeiters nach hinten. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiter nichts über Sonderkonditionen des Einkaufs bei speziellen Händlern weiß und demnach viele seiner Preisrecherchen spätestens beim Einkauf revidiert werden und eigentlich vertane Zeit sind.

Lösung für solche Dilemmata können regelmäßige Job-Umfangs-Audits sein, ein sinniger Turnus für solche Analysen wäre beispielsweise 1 Jahr. Dabei werden die Aufgaben eines Mitarbeiters und ihre Priorisierungen aus drei Sichten beschrieben. Wichtig dabei ist, dass die unterschiedlichen Personen durch einen Unabhängigen befragt werden und die drei Sichten getrennt voneinander aufgenommen werden.

Sicht 1 ist die Sicht des Mitarbeiters auf seinen Job und die damit verbundenen Aufgaben sowie die Prioritäten unterschiedlicher Aufgaben. Idealerweise werden noch zeitliche Aufwendungen für die verschiedenen Aufgaben abgefragt (und wenn möglich: vorher auch aufgenommen).

Sicht 2 ist die Sicht des Vorgesetzten auf den Job seines Mitarbeiters. Was sind seine Aufgaben und wie sind diese aus Sicht des Vorgesetzten zu priorisieren?

Sicht 3 ist die Sicht eines neutralen Dritten, der sich auf einer ähnlichen Hierarchieebene wie der Mitarbeiter des Audits befindet, evtl. sogar direkt mit dem Mitarbeiter an einer Aufgabe zusammenarbeitet oder eine identische Position bekleidet.

Nun werden die unterschiedlichen Sichtweisen verglichen und Unstimmigkeiten/Unterschiede identifiziert. Wichtig ist dabei, dass nicht sofort versucht wird unterschiedliche Auffassungen des Mitarbeiters an die Vorstellungen seines Vorgesetzten anzupassen. Vielmehr sollte es ein entspanntes und offenes Gesprächsklima ermöglichen herauszufinden, warum der Mitarbeiter Aufgaben ausführt, die eigentlich nicht für ihn vorgesehen waren oder anders ausführt als ursprünglich geplant. Vielleicht kann der Chef aber (bspw. durch fehlendes fachliches Know-How) auch einfach Aufgaben seiner Mitarbeiter nicht realistisch einschätzen.

Die Gründe für unterschiedliche Auffassungen bei dem Umfang des Jobs können vielseitig sein. Vielleicht können interne Dienstleister nicht schnell genug auf bestimmte Situationen reagieren oder arbeiten nicht gerne mit gewissen Mitarbeitern zusammen – die Folge ist, dass der Mitarbeiter diese Aufgabe einfach selbst übernimmt. Eventuell hat aber der Mitarbeiter selbst auch beispielsweise andere Präferenzen bei Bestellungen als der Einkauf (Qualität vs. Kosten) und versucht diese durch seine Vorarbeit durchzusetzen.

Finden Sie heraus, wie ihre Mitarbeiter arbeiten und schaffen Sie Transparenz. Denn 10 Leute mit der gleichen Job-Beschreibung und den selben Aufgaben werden 10 unterschiedliche Wege finden diese Jobs auszufüllen und auszuführen.

Sehen Sie das als Chance interne Prozesse zu hinterfragen und Standards dort zu finden, wo sie wirklich Sinn machen und im Moment noch fehlen.

Mittwoch, 26. Juni 2013

Meine Belegschaft und eine Lean Implementierung – Furcht, Freude, Frenetismus?

Lean Management, egal in welchem Bereich es angewendet wird, setzt eine Komponente voraus, um effiziente, stabile und robuste Resultate zu erzielen: Die Akzeptanz der Belegschaft. 
Das bedeutet, dass Sie eventuell vier große Mythen aufklären müssen:

1) Akzeptanz schaffen

Lean Management wurde so oft schon als Deckmantel für andere Kosteneinsparungsmaßnahmen benutzt, es wird Angst und Zweifel bei Teilen Ihrer Belegschaft schüren. Gerade wenn noch externe Berater dabei sind, ist dies eigentlich ein sicheres Zeichen, dass bei dieser Maßnahme schnell viel Geld eingespart werden muss. Wie oft wurden Angestellte schon bei/nach Lean Implementierungen gefeuert? 

In fast jedem gedruckten Werk zu Lean steht aber, dass dies der falsche Weg ist. Ohno schlägt in seinem Buch zum Thema Workplace Management vor, nicht mehr benötigte Arbeiter im Zweifel sogar als Palettenschlepper einzusetzen. Machen Sie den Arbeitnehmern in Ihrem Unternehmen deutlich, dass niemand wegen der Lean Einführung seinen Job verlieren wird und halten sie sich an dieses Versprechen.

2)  Wenn alles effizienter wird, wo bleibt dann der Faktor Mensch?


Link: http://networkedblogs.com/MwZ6Y
Lean Management kann Ihrer Produktion zu mehr Effizienz verhelfen. Aber nur weil Prozesse geglättet wurden und eine Auslastung jetzt gleichmäßig erfolgt, heißt das nicht, dass Arbeiter nun 8 Stunden durchgehend arbeiten müssen, ohne Pausen und Leistungsspitzen. Natürlich werden Sie Pausen mit in jede Planung miteinbauen, aber planen Sie auch Zeit für Kreativität und Probleme mit ein. Ein interessanter Blogpost von Mark Graban zeigt eindrucksvoll, dass Lean Einführungen dafür sorgen können, dass Ihre Belegschaft deutlich zufriedener ist (Link: http://networkedblogs.com/MwZ6Y). Die folgenden Daten stammen von der Belegschaft des Children’s Medical Center aus Dallas, vor und nach der Lean Einführung. Auf einer Skala von 1-5, mit 5 als höchstem Wert, konnten sie angeben, wie zufrieden sie mit bestimmten Bereichen ihrer Arbeit waren. Die Werte sprechen eine eindeutige Sprache.

3)  Mit Zeitarbeitern kann unser Unternehmen Nachfragespitzen abfangen.


Nein, das ist ein alter Hut – Zeitarbeiter sind wenig motiviert und wirken gerade in schlanken Unternehmen wie Fremdkörper. Es ist unwahrscheinlich, dass sie sich lange Zeit bei Verbesserungsmaßnahmen engagieren werden. Sie kennen sich nicht mit Firmenstandards aus und werden diese wiederholt verletzen und damit zum Negativbeispiel für andere Mitarbeiter. Zeitarbeiter haben ferner keinerlei Motivation sich mit der Firma und deren Philosophie zu identifizieren, da viele nur darauf warten bei andren Unternehmen eine Festanstellung zu bekommen. Diese Mitarbeiter haben außerdem keine Job-Sicherheit, welche häufig von Zukunftsängsten und Unzufriedenheit begleitet wird. Kann man ihnen auf dieser Basis und über diese kurze Zeit in der Firma wirklich die Lean-Philosophie einimpfen?
Nehmen sie an dieser Stelle Geld in die Hand und binden Sie Arbeitnehmer in langfristigen Verhältnissen in ihr Unternehmen ein. Halten Sie Springer bereit, nutzen Sie die Möglichkeit von Kompetenz/Wissenslandkarten um Substitute oder Ergänzungskräfte schnell identifizieren zu können.

4)  Ab dem Moment der Lean-Einführung muss alles effizient verlaufen. Jetzt müssen unsere Zahlen besser sein!


Das ist natürlich was ihr Chef sehen und hören will und es wäre nun einfach diesen Druck an die Arbeitnehmer weiter zu geben. Die Lean Einführung können Sie natürlich als Motivationsmaßnahme interpretieren und dadurch noch ein wenig mehr Einsatz aus den Arbeitern herauskitzeln. Aber wird so etwas wirklich lange Bestand haben? Meiner Meinung nach ist es sogar ein gutes Zeichen, wenn nicht alles sofort super schnell und effizient verläuft, nur weil jetzt im Werk zwei, drei neue Methoden im Prozessbaukasten implementiert wurden.
Ermutigen Sie die Arbeiter bei Problemen inne zu halten und nach der Ursache des Problems zu suchen. Wenn der gleiche Fehler immer wieder auftritt, könnte der Fehler am Prozess liegen und nicht an den Arbeitskräften – auch wenn es einfacher ist diesen die Schuld dafür zuzuschieben. Lassen Sie den Leuten die Zeit sich mit den Fehlern zu beschäftigen und diese auszumerzen. Geben Sie wenn möglich Hilfestellung und unterstützen Sie den Lernprozess. Nehmen Sie den Druck von Ihren Arbeitern, dass alles sofort perfekt funktionieren muss und kommunizieren Sie das nach Oben. Auch wenn das zunächst unangenehm sein mag, steigert es doch die Wahrscheinlichkeit eine nachhaltige Umsetzung zu ermöglichen und auch das Verständnis der Vorgesetzten, sowie die Akzeptanz der Mitarbeiter für die Umsetzung.

Freitag, 21. Juni 2013

Lean und Green – Marketingphrase oder echte Zusammengehörigkeit?


Durch mein Studium in den Niederlanden waren die beiden Themen für mich stets eng miteinander verknüpft. Dort werden, beispielsweise durch den Lean and Green Award die Symbiose der Themenstellungen verfolgt, gemeinsame Potentiale identifiziert und beide Philosophien in vielen Unternehmen auch gelebt.

Trucks von Ewals Cargo Care mit Lean and Green Logo
Doch spätestens als ich wieder in deutschen Gefilden angekommen war, hat sich mein Bild doch radikal verändert: Natürlich haben beide Themen Überschnittmengen, aber sind die Zielsetzungen der Themenkomplexe Lean und Green wirklich identisch? Die deutsche Wirtschaft scheint mir da skeptischer zu sein als die niederländische.

Mit einer Lean Management Implementierung sollen an erster Stelle Prozesse effizienter gestaltet werden, d.h. Kosten werden nachhaltig gesenkt, die Produkt-Qualität wird verbessert und die Flexibilität von Prozessen erhöht, um schneller auf externe Einflüsse reagieren zu können und Kundenwünsche schnell umzusetzen. Der Ressourceneinsatz wird demnach optimiert und Verschwendung eliminiert.

Mit einer grünen Ausrichtung wollen Unternehmen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein in ihren Prozessen verankern. Dies kann zum Einen bedeuten, dass ein Unternehmen diese Zielsetzung auch (strategisch gesehen) als ökonomisch wertvoll erachtet (bspw. weil Ressourcen effizienter eingesetzt werden). Durch eine grüne Produktion können aber auch neue Kundengruppen erschlossen werden, bzw. bestehenden, umweltbewussten Kunden ein Mehrwert geliefert werden – Moment! Mehrwert? Ist eine grüne Herstellung von Waren denn überhaupt ein Mehrwert für den Kunden? In meinen Augen schon. Kunden sind besorgt um die Umwelt und wenn sie keinen Mehrwert sehen würden, wären sie auch nicht bereit für „grüne“ Produkte mehr Geld auszugeben. Durch den Kauf "grüner" Produkte haben sie zwar keinen unmittelbar spürbaren Mehrwert in Form von neuen Funktionen oder toller Produkteigenschaften, sie schaffen den Mehrwert aber durch die bewusste Wahl eines Produktes mit weniger Emissionen, etc, das gleichzeitig auch eine bessere Welt für Morgen verspricht.

Nun finden wir bei beiden Themenstellungen Schlagwörter wie „Ressourcen effizient einsetzen“ und eine „nachhaltige Vorgehensweise“ in Prozessen implementieren, spannen wir den Wagen doch mal von hinten auf – Lassen Sie uns nach Gegenbeispielen suchen, bei denen sich die Zielsetzungen der beiden Themengebiete zunächst widersprechen und diese dann jeweils genauer analysieren:



1)     Milkruns vs. große FTLs
Bei Lean Management geht es darum, Materialfluss zu erzeugen. Dies bedingt logistisch, als auch intralogistisch Anlieferungen in kleinen Stückzahlen. Unter ökologischen Gesichtspunkten würden vermutlich eher Anlieferungen in großen Mengen vorgezogen werden, um die Anzahl der Transporte und damit die Anzahl der verbrauchten fossilen Brennstoffe zu reduzieren.
Doch schauen wir uns das große Bild an, diese großen Anlieferungen würden bedeuten, dass wir Lagerhäuser bauen müssten (Verbrauch fossiler Brennstoffe und Entstehung von CO2 beim Bau, bei der Kühlung, Einrichtung elektronischer Installationen, ... ). Wären LKW-Anlieferungen wirklich umweltschonender als kleinere Milkruns?  

2)     Supplier-Auswahl
Bei der Supplier Auswahl würden „grüne“ Einkäufer wohl Lieferanten auswählen oder entwickeln, die umweltbewusst und ökologisch verträglich entwickeln, wohingegen „schlanke“ Einkäufer auf Lieferanten setzen würden, die die gewünschte Qualität zum günstigsten Preis liefern würden (dies ist natürlich sehr plakativ und entspricht nicht wirklich der Realtität, aber im groben entspricht dies den Lean Leitlinien).
Stefan Gottemeier hat 2012 gezeigt, dass diese Denke alles andere als Lean ist. Das Ergebnis seiner Umfrage zu dieser Thematik war: Lieferanten, die „grün“ denken machen Unternehmen strategisch wettbewerbsfähiger und steigern auch die gesamten Supply Chain Erträge. „Grüne“ Lieferanten können häufig qualitativ hochwertigere Waren herstellen und sogar Umsatzausfälle durch Negativschlagzeilen oder sogar Klagen verhindern.

3)     Einsatz fossiler Brennstoffe in der Produktion
Ein kritischer Punkt, denn dem Lean Manager wäre dies vermutlich egal, er würde auf den kostengünstigsten Energieträger setzen. Der Green Manager hingegen würde eher nachhaltigere Energiequellen bevorzugen.
Hier habe ich noch keinen Punkt gefunden, der die Brücke zwischen Lean und Green spannen würde. Eventuell Autarkie?


Es ist aber offensichtlich geworden, dass beide Philosophien leicht miteinander vereinbar sind und die Orientierung an der jeweils anderen Leitlinie Vorteile für beide Seiten mit sich bringen kann. In vielen Fällen sind diese Vorteile eher strategischer Natur und nur dann sichtbar wenn man eine TCO-Sichtweise einnimmt. Aber eigentlich geht es beiden Philosophien ja um den Weitblick und nachhaltig robuste/stabile System zu schaffen. Toyota hat sich schließlich auch nicht einfach die günstigsten Lieferanten herausgepickt als sie anfingen in den USA zu produzieren, sondern haben bewusst auf kleine Lieferanten gesetzt, die sie einfach zu den Lieferanten formen konnten, die sie benötigten.


Als kleiner Lesetipp zum Schluss der Artikel von Rao und Holt aus dem Jahr 2005:
Do green supply chains lead to competitiveness and economic performance?

Freitag, 14. Juni 2013

Buch Review: Shopfloor Management: Führen am Ort der Wertschöpfung

Diese Woche stelle ich das nicht ganz neue, aber thematisch sehr aktuelle Buch von Remco Peters mit dem Titel "Shopfloor Management: Führen am Ort der Wertschöpfung" vor. Peters richtet sich dabei in erster Linie an Praktiker und hat darin seine Erfahrungen aus seiner Beratungstätigekeit zusammengefasst.

Im Erscheinungsjahr 2009 war Remco Peters in der deutschsprachigen Fachliteratur ein Pionier auf dem Gebiet Shopfloor Management. Deshalb hat das Buch sofort mein Interesse geweckt.
 
Das Buch ist gut strukturiert und führt mit einem Überblick der Entwicklungsstufen von Leankonzepten ordentlich zum eigentlichen Thema hin. Jedoch ist diese knappe Darstellung der "Lean-Evolution" für Lean-Erfahrene bei Weitem nicht ausreichend und natürlich nichts neues.

Darauffolgend wird Shopfloor Management treffend als Stabilisierungsinstrument der bei Lean-Veränderungsproszessen auftretenden mentalen Stagnation vorgestellt.

In den folgenden Kapiteln werden die Prinzipien vorgestellt, die nötig sind um Shopfloor Management erfolgreich und nachhaltig einzuführen. Dabei werden viele alltägliche und grundsätzliche Probleme angesprochen, die bei Veränderungsprozessen auftreten. 
Gelungen finde ich hier, dass nicht nur Probleme aufgezeigt, sondern auch Lösungen vorgestellt werden. Diese Lösungsvorschläge sind dabei zumeist allgemein gehalten und werden mit Beispielen aus der Praxis erläutert. Eine Zusammenfassung der wichtigsten "Erfolgsfaktoren" findet sich im letzten Kapitel.

Da sich das Buch an Praktiker wendet, werden auch einige konkret anwendbare Methoden vorgestellt, die als Hilfsmittel zur Einführung von Shopfloor Management im Unternehmen dienen sollen. 
Dies sind in erster Linie Methoden für Führungskräfte in der Fertigung - welche sich jedoch in einfacher Weise - auch auf die Logistik und deren Prozesse übertragen lassen.
Positiv dabei finde ich, dass der Autor die Methoden gelungen gliedert und mit allgemein gehaltenen Beispielen erläutert. Seine Ausführungen dienen dabei lediglich als Denkanstoß und Grundgerüst zur Entwicklung individueller Hilfsmittel zum täglichen Führen vor Ort.

Zum Abschluss gibt der Autor dem Leser eine (nur zum Teil gelungene) Sammlung an Checklisten und Praxistipps mit an die Hand, die den physischen uns psychischen Veränderungsprozess unterstützen sollen. Einige Fragen regen hier zur Selbstreflexion an und sollen den eigenen Führungsstil selbstkritisch hinterfragen - diese sind wieder relativ allgemein gehalten, was ich an dieser Stelle für nicht sinnvoll halte, da die zu erwartenden Antworten ebenso allgemein, wie wenig nützlich ausfallen.

Auch wenn "Shopfloor Management: Führen am Ort der Wertschöpfung" an einigen Stellen Details und weiterführende Ausführungen, sowie aussagekräftigere Darstellungen vermissen lässt, ist das Buch eine klare Leseempfehlung. Es dient als gelungene Wissensbasis für das elementar wichtige Thema Shopfloor Management, und das nicht nur für Praktiker.

Die Ausführungen von Remco Peters sind nicht nur als wünschenswerte Handlungsempfehlung für Führungskräfte in der Fertigung zu sehen, die Prinzipien und Methoden sollten gerade im Bereich Warehousing ohne Weiteres auf die Logistik übertragbar sein.

Freitag, 7. Juni 2013

Buch Review: Lean Supply Chain & Logistics Management von Paul Myerson

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Ab sofort werde ich zum Wochenende hin Rezensionen zu Büchern verfassen, die ich unter der Woche gelesen habe. Den Beginn macht das Werk „Lean Supply Chain & Logistics Management“ von Paul Myerson.

Das Buch ist der derzeit nur in englisch erhältlich und ist in gewohnt einfacher Sprache gehalten. Der Schreibstil ist sehr angenehm, da Myerson Themen schnell auf den Punkt bringt und die Kapitel mit Schlagworten als Überschriften unterteilt wurden. Ich fand den Schreibstil so angenehm, dass ich es an zwei Abenden durchgelesen habe.

Myerson nimmt die, in der Lean Literatur etwas vernachlässigte, Supply Chain Perspektive ein und versucht jegliches Silo-Denken aus den Köpfen der Leser zu vertreiben. Dazu zieht er immer wieder anwendungsbezogene Fallbeispiele erfolgreicher Lean Umsetzer hinzu und reicht als Appendix zu seinem Werk noch eine gesonderte Sammlung von anschaulichen Praxisbeispielen.

Er geht außerdem in der Erklärung einzelner Methoden immer wieder auf die häufigsten Probleme und Stolpersteine ein und erklärt auch, wie man es nicht machen sollte. Für Praktiker, die vor einer Lean Einführung stehen, ist das Buch daher auf jeden Fall einen Blick wert.

Zu bemängeln ist die Anzahl von Fehlern in dem Werk. Neben einer komplett falschen Abbildung eines überarbeiteten Wertstromes, fehlen ab und an im Text  einzelne Wörter. Der Lektor war sein Geld an dieser Stelle definitiv nicht wert. Auch die im Buch verwendeten Grafiken sind in der Qualität der Darstellung eher heterogen.

Ein Kaufgrund für mich war ein Buchkapitel in dem die Kombination von Lean mit Technologien von einer Supply Chain Perspektive aus beschrieben wird. Leider werden in diesem Kapitel altbekannte Ansätze vorgestellt. RFID wird auf einer viertel Seite behandelt und neuartige Identifikationstechnologien werden gar nicht genannt.

Trotzdem ist „Lean Supply Chain & Logistics Management“ ein lesenswertes Buch, das eine Lean Perspektive vertritt, die meiner Meinung nach viel zu selten ein Forum in praxisnaher Literatur bekommt. Sowohl für Lean-Anfänger als auch Fortgeschrittene ist das Buch geeignet, da es schnell und umfassend die wichtigsten Bausteine einer Lean Implementierung umschreibt. Schade, dass gerade beim Anwendungsbeispiel des überbetrieblichen Wertstromdesigns der Fauxpas mit der Grafik passiert ist.