Freitag, 21. Juni 2013

Lean und Green – Marketingphrase oder echte Zusammengehörigkeit?


Durch mein Studium in den Niederlanden waren die beiden Themen für mich stets eng miteinander verknüpft. Dort werden, beispielsweise durch den Lean and Green Award die Symbiose der Themenstellungen verfolgt, gemeinsame Potentiale identifiziert und beide Philosophien in vielen Unternehmen auch gelebt.

Trucks von Ewals Cargo Care mit Lean and Green Logo
Doch spätestens als ich wieder in deutschen Gefilden angekommen war, hat sich mein Bild doch radikal verändert: Natürlich haben beide Themen Überschnittmengen, aber sind die Zielsetzungen der Themenkomplexe Lean und Green wirklich identisch? Die deutsche Wirtschaft scheint mir da skeptischer zu sein als die niederländische.

Mit einer Lean Management Implementierung sollen an erster Stelle Prozesse effizienter gestaltet werden, d.h. Kosten werden nachhaltig gesenkt, die Produkt-Qualität wird verbessert und die Flexibilität von Prozessen erhöht, um schneller auf externe Einflüsse reagieren zu können und Kundenwünsche schnell umzusetzen. Der Ressourceneinsatz wird demnach optimiert und Verschwendung eliminiert.

Mit einer grünen Ausrichtung wollen Unternehmen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein in ihren Prozessen verankern. Dies kann zum Einen bedeuten, dass ein Unternehmen diese Zielsetzung auch (strategisch gesehen) als ökonomisch wertvoll erachtet (bspw. weil Ressourcen effizienter eingesetzt werden). Durch eine grüne Produktion können aber auch neue Kundengruppen erschlossen werden, bzw. bestehenden, umweltbewussten Kunden ein Mehrwert geliefert werden – Moment! Mehrwert? Ist eine grüne Herstellung von Waren denn überhaupt ein Mehrwert für den Kunden? In meinen Augen schon. Kunden sind besorgt um die Umwelt und wenn sie keinen Mehrwert sehen würden, wären sie auch nicht bereit für „grüne“ Produkte mehr Geld auszugeben. Durch den Kauf "grüner" Produkte haben sie zwar keinen unmittelbar spürbaren Mehrwert in Form von neuen Funktionen oder toller Produkteigenschaften, sie schaffen den Mehrwert aber durch die bewusste Wahl eines Produktes mit weniger Emissionen, etc, das gleichzeitig auch eine bessere Welt für Morgen verspricht.

Nun finden wir bei beiden Themenstellungen Schlagwörter wie „Ressourcen effizient einsetzen“ und eine „nachhaltige Vorgehensweise“ in Prozessen implementieren, spannen wir den Wagen doch mal von hinten auf – Lassen Sie uns nach Gegenbeispielen suchen, bei denen sich die Zielsetzungen der beiden Themengebiete zunächst widersprechen und diese dann jeweils genauer analysieren:



1)     Milkruns vs. große FTLs
Bei Lean Management geht es darum, Materialfluss zu erzeugen. Dies bedingt logistisch, als auch intralogistisch Anlieferungen in kleinen Stückzahlen. Unter ökologischen Gesichtspunkten würden vermutlich eher Anlieferungen in großen Mengen vorgezogen werden, um die Anzahl der Transporte und damit die Anzahl der verbrauchten fossilen Brennstoffe zu reduzieren.
Doch schauen wir uns das große Bild an, diese großen Anlieferungen würden bedeuten, dass wir Lagerhäuser bauen müssten (Verbrauch fossiler Brennstoffe und Entstehung von CO2 beim Bau, bei der Kühlung, Einrichtung elektronischer Installationen, ... ). Wären LKW-Anlieferungen wirklich umweltschonender als kleinere Milkruns?  

2)     Supplier-Auswahl
Bei der Supplier Auswahl würden „grüne“ Einkäufer wohl Lieferanten auswählen oder entwickeln, die umweltbewusst und ökologisch verträglich entwickeln, wohingegen „schlanke“ Einkäufer auf Lieferanten setzen würden, die die gewünschte Qualität zum günstigsten Preis liefern würden (dies ist natürlich sehr plakativ und entspricht nicht wirklich der Realtität, aber im groben entspricht dies den Lean Leitlinien).
Stefan Gottemeier hat 2012 gezeigt, dass diese Denke alles andere als Lean ist. Das Ergebnis seiner Umfrage zu dieser Thematik war: Lieferanten, die „grün“ denken machen Unternehmen strategisch wettbewerbsfähiger und steigern auch die gesamten Supply Chain Erträge. „Grüne“ Lieferanten können häufig qualitativ hochwertigere Waren herstellen und sogar Umsatzausfälle durch Negativschlagzeilen oder sogar Klagen verhindern.

3)     Einsatz fossiler Brennstoffe in der Produktion
Ein kritischer Punkt, denn dem Lean Manager wäre dies vermutlich egal, er würde auf den kostengünstigsten Energieträger setzen. Der Green Manager hingegen würde eher nachhaltigere Energiequellen bevorzugen.
Hier habe ich noch keinen Punkt gefunden, der die Brücke zwischen Lean und Green spannen würde. Eventuell Autarkie?


Es ist aber offensichtlich geworden, dass beide Philosophien leicht miteinander vereinbar sind und die Orientierung an der jeweils anderen Leitlinie Vorteile für beide Seiten mit sich bringen kann. In vielen Fällen sind diese Vorteile eher strategischer Natur und nur dann sichtbar wenn man eine TCO-Sichtweise einnimmt. Aber eigentlich geht es beiden Philosophien ja um den Weitblick und nachhaltig robuste/stabile System zu schaffen. Toyota hat sich schließlich auch nicht einfach die günstigsten Lieferanten herausgepickt als sie anfingen in den USA zu produzieren, sondern haben bewusst auf kleine Lieferanten gesetzt, die sie einfach zu den Lieferanten formen konnten, die sie benötigten.


Als kleiner Lesetipp zum Schluss der Artikel von Rao und Holt aus dem Jahr 2005:
Do green supply chains lead to competitiveness and economic performance?

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