Durch mein Studium in den Niederlanden waren die beiden Themen für mich stets eng miteinander verknüpft. Dort werden, beispielsweise durch den Lean and Green Award die Symbiose der Themenstellungen verfolgt, gemeinsame Potentiale identifiziert und beide Philosophien in vielen Unternehmen auch gelebt.
Trucks von Ewals Cargo Care mit Lean and Green Logo |
Mit einer Lean Management Implementierung sollen an erster
Stelle Prozesse effizienter gestaltet werden, d.h. Kosten werden nachhaltig
gesenkt, die Produkt-Qualität wird verbessert und die Flexibilität von
Prozessen erhöht, um schneller auf externe Einflüsse reagieren zu können und
Kundenwünsche schnell umzusetzen. Der Ressourceneinsatz wird demnach optimiert
und Verschwendung eliminiert.
Mit einer grünen Ausrichtung wollen Unternehmen
Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein in ihren Prozessen verankern. Dies kann
zum Einen bedeuten, dass ein Unternehmen diese Zielsetzung auch (strategisch
gesehen) als ökonomisch wertvoll erachtet (bspw. weil Ressourcen effizienter
eingesetzt werden). Durch eine grüne Produktion können aber auch neue
Kundengruppen erschlossen werden, bzw. bestehenden, umweltbewussten Kunden ein
Mehrwert geliefert werden – Moment! Mehrwert? Ist eine grüne Herstellung von
Waren denn überhaupt ein Mehrwert für den Kunden? In meinen Augen schon. Kunden
sind besorgt um die Umwelt und wenn sie keinen Mehrwert sehen würden, wären sie
auch nicht bereit für „grüne“ Produkte mehr Geld auszugeben. Durch den Kauf "grüner" Produkte haben sie
zwar keinen unmittelbar spürbaren Mehrwert in Form von neuen Funktionen oder
toller Produkteigenschaften, sie schaffen den Mehrwert aber durch die bewusste Wahl eines Produktes mit weniger Emissionen, etc, das gleichzeitig auch eine bessere Welt für Morgen verspricht.
Nun finden wir bei beiden Themenstellungen Schlagwörter wie
„Ressourcen effizient einsetzen“ und eine „nachhaltige Vorgehensweise“ in
Prozessen implementieren, spannen wir den Wagen doch mal von hinten auf –
Lassen Sie uns nach Gegenbeispielen suchen, bei denen sich die Zielsetzungen der
beiden Themengebiete zunächst widersprechen und diese dann jeweils genauer
analysieren:
1)
Milkruns vs. große FTLs
Bei Lean Management geht es darum, Materialfluss zu erzeugen.
Dies bedingt logistisch, als auch intralogistisch Anlieferungen in kleinen
Stückzahlen. Unter ökologischen Gesichtspunkten würden vermutlich eher
Anlieferungen in großen Mengen vorgezogen werden, um die Anzahl der Transporte
und damit die Anzahl der verbrauchten fossilen Brennstoffe zu reduzieren.
Doch schauen wir uns das große Bild an, diese großen Anlieferungen
würden bedeuten, dass wir Lagerhäuser bauen müssten (Verbrauch fossiler
Brennstoffe und Entstehung von CO2 beim Bau, bei der Kühlung, Einrichtung
elektronischer Installationen, ... ). Wären LKW-Anlieferungen wirklich
umweltschonender als kleinere Milkruns?
2)
Supplier-Auswahl
Bei der Supplier Auswahl würden „grüne“ Einkäufer wohl
Lieferanten auswählen oder entwickeln, die umweltbewusst und ökologisch
verträglich entwickeln, wohingegen „schlanke“ Einkäufer auf Lieferanten setzen
würden, die die gewünschte Qualität zum günstigsten Preis liefern würden (dies
ist natürlich sehr plakativ und entspricht nicht wirklich der Realtität, aber
im groben entspricht dies den Lean Leitlinien).
Stefan Gottemeier hat 2012 gezeigt, dass diese Denke alles
andere als Lean ist. Das Ergebnis seiner Umfrage zu dieser Thematik war: Lieferanten,
die „grün“ denken machen Unternehmen strategisch wettbewerbsfähiger und
steigern auch die gesamten Supply Chain Erträge. „Grüne“ Lieferanten können
häufig qualitativ hochwertigere Waren herstellen und sogar Umsatzausfälle durch
Negativschlagzeilen oder sogar Klagen verhindern.
3)
Einsatz fossiler Brennstoffe in der Produktion
Ein kritischer Punkt, denn dem Lean Manager wäre dies
vermutlich egal, er würde auf den kostengünstigsten Energieträger setzen. Der
Green Manager hingegen würde eher nachhaltigere Energiequellen bevorzugen.
Hier habe ich noch keinen Punkt gefunden, der die Brücke
zwischen Lean und Green spannen würde. Eventuell Autarkie?
Es ist aber offensichtlich geworden, dass beide Philosophien
leicht miteinander vereinbar sind und die Orientierung an der jeweils anderen
Leitlinie Vorteile für beide Seiten mit sich bringen kann. In vielen Fällen
sind diese Vorteile eher strategischer Natur und nur dann sichtbar wenn man
eine TCO-Sichtweise einnimmt. Aber eigentlich geht es beiden Philosophien ja um
den Weitblick und nachhaltig robuste/stabile System zu schaffen. Toyota hat
sich schließlich auch nicht einfach die günstigsten Lieferanten herausgepickt
als sie anfingen in den USA zu produzieren, sondern haben bewusst auf kleine
Lieferanten gesetzt, die sie einfach zu den Lieferanten formen konnten, die sie
benötigten.
Als kleiner Lesetipp zum Schluss der Artikel von Rao und Holt aus dem Jahr 2005:
Do green supply chains lead to competitiveness and
economic performance?
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